Ich habe im Frühling 2017 in einer (rückblickend betrachtend) manischen Phase eine Einzelfirma gegründet und bin seither zu einem grossen Teil selbstständigerwerbend. Ich gestand mir dann zwar im Herbst 2018 ein, dass ich Unterstützung brauche, aber weder ich noch die mir empfohlene Coachin/Psychologin kamen damals zum Schluss, dass meine Herausforderungen auf eine bi-polare Störung zurückzuführen seien. Erst als sich meine manischen und depressiven Phasen in den Folgejahren verstärkten, liess ich auf den Rat meiner Coachin hin bei der Luzerner Psychiatrie meinen Fall abklären, und ich erhielt die Diagnose meiner bi-polaren Störung. Im Nachhinein hätte ich mir sofort nach dieser Diagnose ein Arztzeugnis ausstellen lassen und meinen Fall bei der Krankentaggeld-Versicherung anmelden sollen. Warum ich das nicht tat, erklärte ich der Versicherung fast ein Jahr später folgendermassen:
"Ich bin mir bewusst, dass mein Fall speziell ist und dass Sie sich an gewisse Richtlinien und Normen halten müssen. Dass Menschen mit einer bi-polaren Störung anders zu handhaben sind, als Menschen mit anderen/klassischen Erkrankungen, möchte ich mit folgendem Beispiel veranschaulichen:
Wenn ein selbstständiger Kaminfeger plötzlich aufgrund einer schlimmen Gelenk-Krankheit ein Bein und einen Arm nicht mehr bewegen kann, und (vorübergehend) nicht mehr Schornsteine putzen kann, dann ist klar, dass er ein Arztzeugnis bekommt und Anspruch auf Krankentaggelder hat. Vorerst braucht der Kaminfeger einen Rollstuhl. Wenn die Symptome in seinem Arm verheilt sind, kann er an Krücken gehen und auch Büroarbeiten erledigen. Ist dann auch sein Bein verheilt, kann er wieder Schornsteine putzen.
Bei einer bipolaren Störung ist das Problem, dass es für Betroffene und auch deren Umfeld sehr schwer ist, die Krankheit an sich und auch die Schwere der Krankheit zu erkennen, und sich die Hilfsbedürftigkeit einzugestehen. Und auch wenn man dann (endlich) Hilfe annimmt, sich quasi die psychische Gelenk-Krankheit behandeln lässt, und sich Krücken oder einen Rollstuhl organisiert, wird es nicht automatisch besser. Denn im Tief (Depression) fehlt der Antrieb und die Energie, sich in den Rollstuhl zu setzen. Und im Hoch (Manie) hat man zwar wieder Antrieb und Energie, und man meint, es geht einem ja nun wieder gut, man brauche keinen Rollstuhl mehr, denn man kann nicht nur gehen, sondern sogar fliegen. Und je höher und intensiver dieses Abheben dann ist, desto tiefer und brutaler wird der Sturz – so wie wenn ein Kaminfeger mit versteiftem Arm und Bein sich statt in den Rollstuhl setzt, ungesichert in den Schornstein klettert, und dann abstürzt."
Trotz Diagnose der Luzerner Psychiatrie sowie dieser Erklärung verweigerte mir die Versicherung aufgrund des fehlenden Arztzeugnisses Kranktaggelder. Erst als ich mir dann endlich ein Arztzeugnis ausstellen liess, eröffnete die Versicherung einen entsprechenden Fall.
Darum mein dringender Tipp: Bei einer entsprechenden Diagnose unverzüglich ein Arztzeugnis ausstellen lassen.
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